L-Thyroxin Passage diaplazentar
Wenn man versucht, herauszufinden, ob Schilddrüsenhormone einer zukünftigen Mutter ihr Kind beeinflussen bzw. versorgen, stößt man auf widersprüchliche Ergebnisse:
Im Lehrbuch von Prof. Mödder „Der Schilddrüsenpatient“ (4. Auflage 1996 – ISBN: 3-89245-001-3) Steht auf Seite 138:
„Keine diaplazentare Passage von TSH, T4, T3 und rT3 nachweisbar. Also: die fetale Schilddrüse entwickelt sich unabhängig von mütterlichen Schilddrüsenhormonen.“
Diese Aussage ist rein formal richtig. Das heißt aber nicht, dass Schilddrüsenhormone, die von der mütterlichen Schilddrüse gebildet worden sind, nicht den Foetus beeinflussen.
In Übereinstimmung zum Vorherigen passt (in Grenzen) folgende Aussage:
Univ. Lektor Dr. med. univ. Christian Pötzi aus Wien schreibt 2023 im Internet:
( https://www.schilddrüse-wien.at/schilddruese/schwangerschaft-und-stillzeit/ )
„Die Zufuhr von Schilddrüsenhormonen in den mütterlichen Organismus ist für das Kind bedeutungslos, da die Schilddrüsenhormone die Plazenta nicht passieren.“
Diese Feststellung ist sicher falsch, denn es ist bewiesen, dass die mütterlichen Schilddrüsenhormone das Kind massiv beeinflussen!
Der Beweis: Es wurden und es werden Kinder geboren, die keine Schilddrüse haben. Gleichwohl sind sie normal entwickelt. Sie müssen nach der Geburt sofort substituiert werden. – Um dieses zu gewährleisten wurde in NRW ein TSH-Screening gesetzlich festgeschrieben. Also, und daran kann es keinen Zweifel geben, wurde die Entwicklung des Kindes durch die Schilddrüsenhormone der Mutter gewährleistet.
Und es wundert mich, dass in der gesamten Literatur weltweit diese Tatsache nie berücksichtigt worden ist. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass ab der 20.SSW die fötale Schilddrüse funktionsfähig sei. Wie effektiv diese wirklich arbeitet, wurde aber nicht untersucht. Hingegen ist es aber Fakt, dass die mütterliche Schilddrüse, wenn sie gut arbeitet, alleine die Entwicklung des Kindes und insbesondere des Hirns sicherstellen kann.
– Wenn die gesamte Welt einen Fehler macht, dann bleibt es ein Fehler!
Da gibt es noch etwas, was einige der Forschungsergebnisse entwertet:
Schilddrüsenhormone werden transportiert. Die Transporter haben Namen: ‚MCT8‘ ist der wichtigste und wurde in der Plazenta nachgewiesen.
( https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC2869027/ )
Auf jeden Fall liegen die Schilddrüsenhormone nicht im Blut herum, und sie werden auch nicht nach einem Konzentrationsgefälle verteilt. – Die anfänglich erwähnten Perfusionsstudien konnten also gar nicht sinnvolle Erkenntnisse liefern. (Ein Beispiel: Wir werfen ausreichend frankierte Briefe auf die Straße und prüfen, ob diese beim Empfänger ankommen. Das wird nicht geschehen, da der Postbote, der Transporter, nicht in die Versuchsanordnung einbezogen worden ist.)
Man könnte nun meinen, dass neuere Arbeiten die Transporter berücksichtigen, was ich nur selten fand.
Ein Beispiel:
( https://www.synlab.de/fileadmin/user_upload/schilddruese-schwangerschaft.pdf )
„Die freien SD-Hormone fT3 und fT4 gehen zum Teil, Rate (ca. 20%), auf den Embryo/den Fetus über, wobei in bestimmten Situationen eine Steigerung auf etwa das Doppelte möglich ist. Für TSH besteht praktisch kein Transfer durch die Plazenta.“
L-Thyroxin-Transport:
Besser und anders ist folgende Information: Doktorarbeit von Swetlana Hoffmann 2010:
( https://ediss.sub.uni-hamburg.de/bitstream/ediss/4031/1/Doktorarbeit.pdf )
„Das T4 wird aus dem mütterlichen Serum durch die sich in der Plazentabefindende Typ III-Dejodase dejodiert, und es entsteht T3. Die Versorgung des Fetus mit Schilddrüsenhormonen ist in der ersten Schwangerschaftshälfte von der Schilddrüsenhormonsituation der Mutter und in der zweiten Schwangerschafts-hälfte von einer adäquaten Jodversorgung durch die Mutter abhängig. Um die eigenen Schilddrüsenhormone in ausreichendem Maße synthetisieren zu können, ist eine adäquate Jodversorgung und eine euthyreote Stoffwechselsituation der Mutter wichtig. Da die Reifung wichtiger ZNS-Strukturen bereits in der Zeit beginnt, wo die fetale Schilddrüse noch nicht eigenständig Hormone produzieren kann, ist es ganz besonders wichtig, dass das Kind ausreichend Schilddrüsenhormone von der Mutter erhält.“
Transportsystem für Schilddrüsenhormone:
Quelle: J Endocrinol. 2006 June ; 189(3): 465-471. Doi:10.1677/joe.1.06582.
Der Monocarboxylate transporter 8 (MCT8) in der Plazenta übernimmt die Schilddrüsenhormone und übergibt sie der Dejodase Typ 3, welche das Thyroxin in (rechtsdrehendes) rT3 umbaut.
Deiodierungsenzyme enthalten die Aminosäure Selenocystein in ihrem aktiven Zentrum.
Das ist einer der Gründe, weshalb Selen in der Schwangerschaft bei Selenmangel zugeführt werden sollte.
Die Aktivitäten der Deiodinasen werden während der Entwicklung und durch physiologische Faktoren, einschließlich der Schilddrüsenhormone selbst, reguliert. Die Dejodase Typ 3 wird in der Plazenta, der Gebärmutter der Schwangeren und im Fötusgewebe stark exprimiert, während die Dejodase Typ 1 und die Dejodase Typ 2 postnatal und im Erwachsenenalter exprimiert werden.
Versorgung des Fötus mit Schilddrüsenhormonen:
Die Frage, wie die Schilddrüsenhormone der Mutter den Foetus versorgen bzw. was sie im Foetus (so lebenswichtiges) machen, ist damit noch nicht beantwortet.
Ihre Aufgabe ist, so die Forschungsergebnisse, die Parvalbumin-Neurone zu strukturieren.
Die Parvalbumin-Neurone werden durch rT3 strukturiert. Sie sind es, die (nach der Geburt) das Hirn vernetzen. Ein gut vernetztes Gehirn macht seinen Besitzer ‚fit‘ im Sinne von Darwin. Einen Intelligenztest als Beweis für die Fitness einzusetzen, ist nach meiner Meinung ‚dumm‘. Ein Taschenrechner rechnet besser als ein gesunder Mensch. Beim Intelligenztest würde er deshalb in Mathematik gut abschneiden. Das heißt: Die üblichen Kriterien zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines menschlichen Hirns sind unzureichend. Sie erfassen nur einen minimalen Teil der Hirnfunktionen. Alle Arbeiten, die zu erfassen suchen, ob Schilddrüsenhormone die Hirnleistung des Kindes verbessern können, greifen daneben.
https://www.deutschlandfunk.de/die-kuehnen-konzepte-der-quantenbiologie-qubits-im-kopf-100.html
Die Empathie ist eine Fähigkeit des funktionsgesunden Hirns. Sie kann mit einem Intelligenztest nicht erfasst werden. Menschen ohne Empathie sind Psychopaten. Diese Menschen sind intelligent und können z.B. ein großes Land wie Russland führen. Sie sind aber tatsächlich geistig behindert. Ein Mangel an Parvalbumin-Neuronen kann, wenn er ausgeprägter ist, zu Autismus führen.
Nach meiner Kenntnis wurde auch nie gemessen, wie schnell ein Kind schwimmen oder Rad fahren lernt, obwohl dies mindestens so bedeutsam ist wie ein kompletter Intelligenztest. Und die Parvalbumin-Neurone werden insbesondere Im Kleinhirn in großer Anzahl gefunden.
Für die Arbeit an Parvalbumin-positiven Neuronen wurde Frau Dr. Harder 2018 mit dem Von-Basedow-Preis der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie ausgezeichnet
( https://research.uni-luebeck.de/de/prizes/bernd-fischer-award-2019 )
„Mittels verschiedener Mausmodelle wurde gezeigt, dass Schilddrüsenhormone ab dem Eintritt in ihre postmitotische Entwicklungsphase bis zur Geburt essentiell für die Entwicklung dieser neuronalen Population sind. Unter Berücksichtigung der Rolle von Parvalbumin-positiven Neuronen im vorderen Hypothalamus für die zentrale Kontrolle des Herz-Kreislaufsystems, unterstreichen die Daten einen Zusammenhang zwischen mütterlicher Schilddrüsenhormondefizienz und Hypertonie in den Nachkommen. Außerdem wurde mit den Parvalbumin-positiven Neuronen im vorderen Hypothalamus zum ersten Mal ein konkretes neuroanatomisches Ziel der mütterlichen Hypothyreose identifiziert.“
Es existiert ein Neugeborenen Screening zur Erkennung einer kongenitalen Hypothyreose.
„Eine Behandlung der kongenitalen Hypothyreose sollte eingeleitet werden, wenn der bestätigte TSH-Wert > 20 mU/L ist (auch wenn das freie T4 normal ist). Bei TSH-Werten zwischen 10 und 20 mU/L kann eine Behandlung eingeleitet werden, alternativ können die TSH- und freien T4-Werte engmaschig überwacht werden (alle 1–2 Wochen). Die Behandlung ist bei persistierendem TSH-Anstieg > 10 mU/l indiziert (1).
In den meisten Fällen von angeborener Hypothyreose ist eine lebenslange Schilddrüsensubstitution erforderlich. Wenn jedoch der anfängliche TSH-Spiegel < 40 mU/l ist, keine organische Basis festgestellt wurde und nicht angenommen wird, dass die Krankheit vorübergehend ist (basierend auf einer fehlenden Dosiserhöhung seit dem Säuglingsalter), können Kliniker eventuell versuchen, die Therapie nach 3 Jahren zu stoppen, da der Testlauf zu diesem Zeitpunkt keine Gefahr für das sich entwickelnde Zentralnervensystem darstellt. Wenn das TSH ansteigt, sobald die Therapie beendet wird (erlaubt typischerweise ca. 6-8 Wochen nach der Behandlung), und das freie T4 oder T4 niedrig ist, gilt eine permanente kongenitale Hypothyreose als bestätigt und die Behandlung sollte neu begonnen werden. Ein Mangel an Thyroxin-bindendem Globulin (TBG), der primär beim Screening entdeckt wird, das auf der Bestimmung des gesamten T4 im Serum basiert, ist nicht behandlungspflichtig, da die betroffenen Säuglinge normales freies T4 und normale TSH-Spiegel haben und daher euthyreot sind.“
Eine Behandlung mit L-Thyroxin ist ab TSH >10 mU/L indiziert.
D.h., dass bei einer Erhöhung z.B. auf 10mU/L das Ergebnis als noch ‚negativ‘ gewertet worden ist.
Zum FT4:
Die Feststellung, dass gegen Ende der Schwangerschaft der FT4-Spiegel bei der Mutter sinkt, wird als ‚gottgegeben‘ bzw. physiologisch hingenommen – und das alles ohne Prüfung. Warum sollte das Absinken von FT4 auf einmal in Ordnung sein, wenn es ohne Schwangerschaft als Grund angesehen wird L-Thyroxin zu geben.
Ich für meinen Teil behaupte, dass gegen Ende der Schwangerschaft die Versorgung des Fötus immer schwieriger wird und er mit seiner noch nicht voll ausgereiften Schilddrüse seinen Eigenbedarf nicht vollständig decken kann. Er greift daher auch weiterhin das L-Thyroxin aus dem mütterlichen Blut ab, was dann zum Absinken von FT4 führt.
Noch einmal: Die Gabe von Jod führt nachweislich dazu, dass sich der Fötus besser entwickelt. Wird weniger Jod gegeben, entwickelt er sich schlechter. Für mich ergibt sich daraus die Schlussfolgerung, dass L-Thyroxin ein knappes Gut ist. Will man eine gute Versorgung gewährleisten, die mehr als gerade ausreichend ist, muss die Mutter im letzten Trimenon, falls der FT4-Spiegel sinken sollte, L-Thyroxin erhalten.