„Das erste, was man bei einer Abmagerungskur verliert, ist gute Laune.“

     (FRÖBE, – Gert Fröbe, dt. Schauspieler, 1913 – 1988)

   Einleitung : (die Kalorien-Mathematik ist nicht nur einfach falsch, sondern sogar richtig (falsch)!)

 

 

Das Körpergewicht und seine Kontrolle: Es ist seit ewigen Zeiten ein Problem der Menschheit. Viele fühlen sich zuständig, Einiges fand man heraus, Vieles ist ungeklärt. Irrationales findet man ubiquitär. (Diätanweisungen und ausführliche Horoskope findet man in denselben Zeitungen) – Das Irrationale ist aber häufig nicht auf Anhieb zu erkennen, es versteckt sich hinter ‚wissenschaftlichen‘ Erklärungen, deren ‚Fakten‘ aber postfaktisch sind.

„Postfaktisch“ – der Begriff benötigt eine Erklärung: Folgendes erklärt den Begriff nach meiner Meinung am besten:

„Kommen Sie uns nicht mit Fakten, wir haben uns unsere Meinung längst gebildet!“, so sagte einst ein Kardinal der Inquisition zu Galileo Galilei, als dieser ihm sagte, er solle doch einmal selber durch sein Teleskop schauen.

Nicht nur dieser Kardinal, sondern die Mehrheit (!?) der Menschen konsumiert (und akzeptiert) nur die „Fakten“, die sie vorher ausgewählt haben. Die anderen werden ausgeblendet und nicht zur Kenntnis genommen.

Beim Thema: Wunschgewicht und Schilddrüsenproblem ist das nicht anders. Das Postfaktische ist hier offenbar übermächtig. Erst extremer Leidensdruck bewegt manche Menschen dazu, auch andere Fakten zu akzeptieren. 

Hier mein Argumentationsansatz, um das Postfaktische zu überwinden:

Fettzellen sind offenbar intelligenter als Hirnzellen, denn selbst hochintelligente Frauen können ihr Körpergewicht nicht in gewünschter Weise beeinflussen. Würden Teenager willentlich ihr Körpergewicht verändern können, hätten wir jedes Jahr ein paar Hungertote zu beklagen. Zigarettenraucher, die mit starkem Willen erfolgreich diese Sucht besiegt haben, konnten es aber nicht verhindern, nach Abstinenz ungewollt das Gewicht zu erhöhen. – Spätestens jetzt sollte jedem Menschen mit Vernunft klar sein, dass Vernunft, ‚wissenschaftliche‘ Intelligenz und ein starker Wille nicht ausreichen, um das Körpergewicht nach Wunsch zu verändern.

Das meint die Wissenschaft:

Und die wissenschaftlichen Studien? Sie sind wichtig – sogar unabdingbar, aber die bisherigen Interpretationen der Ergebnisse hatten leider häufig einen nur schwachen Sinn (‚schwachsinnig‘). Auch hier spielte das postfaktische Verständnis der Autoren eine wichtige Rolle.

Und damit ich nicht allgemein bleibe:

„Übergewichtige bewegen sich pro Tag 152 Minuten weniger als Schlanke. Würden sie sich wie Schlanke bewegen, könnten sie 350 kcal pro Tag mehr verbrennen.“ – Das ist die Kernaussage einer Studie veröffentlicht von: Levine JA et al, Science 2005; 307: 584-586

Die Aussage ist grundsätzlich nicht falsch, die Interpretation aber schon: Gelähmte Menschen werden nicht automatisch fett! Das postfaktische besteht darin, dass die Autoren davon ausgehen, dass das Körpergewicht das mathematische Ergebnis von Kalorienzufuhr und Energieverbrauch ist. Man müsse sich nur etwas mehr bewegen, dann würde man sein Wunschgewicht erreichen. Der Bewegungsdrang des Menschen ist aber nicht vom Willen bestimmt. Der Mensch kann von den Lebensumständen gezwungen werden, sich mehr zu bewegen, damit würde dann die Kalorien-Mathematik zunächst einmal stimmen, er täte es dann aber nicht, weil er einen eigenen Bewegungsdrang hätte. –

Was ist mit dem Slogan: Friss die Hälfte?

Nach dem 2. Weltkrieg wurde Ernährungsstudien durchgeführt mit dem Ziel festzustellen, wie viel Nahrung man Kriegsgefangenen geben müsse, um nicht unmenschlich zu sein. Die Probanden bekamen (freiwillig gezwungen) nur die Hälfte von dem, was sie vorher gegessen haben. Das Ergebnis: Alle nahmen ab. Anschließend wurden aber ein Teil der Männer übergewichtig und einige wurden sogar depressiv: Eine konsequente Diät hat also ernste Nebenwirkungen, die den Forschern der oben zuvor zitierten Studie offenbar nicht geläufig waren. Auch sie hatten nur das zur Kenntnis genommen, was ihnen in den Kram passte. – Postfaktisches gibt es eben auch da, wo man es zunächst nicht vermutet.

Und mit der Leptin-Forschung, auf die ich jetzt nicht näher eingehen will, ist es auch nicht besser.

Das meint die Natur:

Ein Adler, der zu viel frisst, kann nicht mehr starten: Er wird selber zur Beute. Ein Löwe, der zu viel frisst, kann nicht erfolgreich jagen. Eine Antilope, die zu fett ist, wird die fette Beute eines Jägers, eine Krabbe würde nicht mehr in ihren Panzer passen: Die überwiegende Mehrzahl der Tiere hält das ideale Köpergewicht ein, um zu überleben. Nur wenige Tiere (z.B. der Bär) können sich ein Übergewicht anfressen (, um zu überleben). – Der Bär reguliert dies über Schilddrüsenhormone.

Eigentlich halten fast alle Tiere ihr Körpergewicht in idealer Weise ein, falls das Nahrungsangebot ausreichend ist; das gilt aber nicht für Tiere, die mit dem Menschen zusammenleben!

Die Eigenschaft ‚Übergewicht‘ ist ein Privileg höher organisierter Säugetiere und insbesondere des Menschen!

Im Folgenden wird alles ausgeblendet, was nicht den Schilddrüsenhormonen zugeordnet werden kann.

Schilddrüsenhormone sind bei jedem Gramm Körpergewicht sowohl bezüglich der Zunahme, wie auch der Abnahme beteiligt. Man kann die Schilddrüsenhormone mit der Verkehrspolizei vergleichen, die den (Kalorien-) Verkehr steuert. – Das Problem: Die Verkehrspolizei macht nicht die Verkehrs-Regeln, nach denen alles abläuft.

So kommen seriöse Forscher zu dem Ergebnis, dass nur eine euthyreote Schilddrüsenfunktion dem Menschen die Möglichkeit gibt, das Körpergewicht in gewünschter Weise zu beeinflussen.

Gewichtänderung bei Hyperthyreose bzw Hypothyreose:

Bei der Hyperthyreose nehmen 85% der Menschen Gewicht ab, bei der Hypothyreose nehmen 59% der Patienten Gewicht zu. Das nebenstehende Diagramm

zeigt, dass die basale Thermogenese wesentlich die

Gewichtsänderung beeinflusst. – Hyperthyreote

Menschen schwitzen, hypothyreote frieren.

Die falsche Schlussfolgerung:

Die Schlußfolgerung, dass man nur eine Hyperthreose herbeiführen müsse, um Gewicht abzunehmen, ist gefährlich und im Falle von Herzrhythmusstörungen sogar lebensgefährlich.

Darüber hinaus hält die einmal erreichte Gewichtsabnahme nicht an. Und, was noch bedenklicher ist, die Muskeln spielen nicht mit. Mit reduzierter Muskelmasse sinkt automatisch der Grundumsatz, was am Ende das Körpergewicht bei gleichbleibender Nahrungszufuhr erhöht. (Sport führt nicht automatisch zu einer Gewichtsabnahme, wenn aber dabei die Muskelmasse zunimmt, dann führt ein gesteigerter Grundumsatz zu einer gesunden und nachhaltigen Gewichtsabnahme.)

Schilddrüsenhormone beeinflussen den Energiehaushalt und damit auch das Gewicht.

Wenn man von Schilddrüsenhormonen spricht, wird gemeinhin T4 (L-Thyroxin) und T3 (Trijodthyronin) gemeint. T4 hat 4 Jodatome, T3 entsteht durch die Dejodase Typ1, indem an einer definierten Stelle ein Jodatom abgespalten wird. Man kann T4 als ‚Vorratsform‘ und T3 als ‚Wirkform‘ bezeichnen, denn nur T3 erzeugt die Wirkung, die wir ‚den Schilddrüsenhormonen‘ zuordnen. Es gibt aber noch weitere Schilddrüsenhormone. Das rT3 ist die unwirksame Variante von T3. Bei schwerer Krankheit und im Hunger kann durch einen geänderten Abbau von T4 die Produktion des energiefressenden T3 verhindert werden, indem der Körper durch Aktivierung der Dejodase Typ3 nicht mehr T3, sondern rT3 herstellt. – Wer also vermehrt T4 zu sich nimmt, der muss damit rechnen, dass das jetzt vermehrt entstehende rT3 ihm einen Strich durch die Rechnung macht. Kurzum: Mit einer Überdosis von T4 kann man sicher nicht Gewicht abnehmen.

Es gibt aber noch weitere Abbauprodukte von T4, von denen ich nur auf dasjenige eingehen will, das eine Wirkung auf das Fett- und Muskelgewebe hat: 3,5-T2 besitzt nur noch an den Positionen 3 und 5 ein Jodatom. Italienische Forscher konnten bei hypothyreoten Ratten einen Muskelaufbau und einen Abbau von Fettgewebe nachweisen und zwar ohne kardiale Symptome. – Noch bevor die Ergebnisse soweit gesichert waren, dass sie auf einen gesunden Menschen übertragen werden konnten (bei gesunden Menschen handelt es sich nämlich nicht um hypothyreote Ratten), haben sich Interessierte diese Substanz beschafft und unkontrolliert mit Selbstversuchen begonnen. Nach meiner Kenntnis ist bisher kein verwertbares Ergebnis erzielt worden. 3,5-T2 wurde auch im menschlichen Blut nachgewiesen und zwar bei Schwerstkranken mit schlechter Prognose. Die Interpretation dieser Befunde ist offen. Nach meiner Meinung könnte die Substanz in Todesgefahr die letzten Reserven mobilisieren, was evolutorisch einen Sinn ergäbe. In diesem Fall hätte es einen schwachen Sinn diese Substanz bei gesunden Menschen anzuwenden.  – Auch hier spielt das Postfaktische nach meiner Meinung die entscheidende Rolle: Die Vorstellung, dass man an einer Stoffwechsel-Stellschraube einen völlig unphysiologischen Wert einstellt, um dann eine bessere und gesunde Stoffwechsel-Situation zu erhalten, unterstellt, dass menschliche Intelligenz besser sei als die Evolution. – Der Forschungsansatz ist höchst interessant und vielleicht wird man irgendwann (?) die Adipositas besser bekämpfen können, die bisherige Interpretation ist aber nicht rational bzw. zu kurz gedacht.