Wenn jemand müde und schläfrig ist, dann denken viele an eine Unterfunktion der Schilddrüse.
Es gibt aber auch andere Ursachen.

Die Ausgangslage:
Eine 28-jährige Patientin wird wegen Kälteempfinden, Abgeschlagenheit und Schwitzen zu einer Schilddrüsenuntersuchung geschickt. Am Tage sei sie vermehrt müde. Gewicht 63 kg.

Seit etwa 3 Jahren erfolgt eine Jodsubstitution wegen einer Struma. Die Schilddrüse ist aber nicht tastbar vergrößert.

In-vitro-Werte 09.02.15:
Freies Trijodthyronin(fT3)RIA: 3,0 pg/ml (normal)

Freies L-Thyroxin(fT4)RIA: 0,88 ng/dl (normal)

TSH-basal: 1,4 mU/l (normal)
TSH nach TRH:               25,0 mU/l (überschießend)

Anti-TPO:   2,1 IU/ml (normal)

Kontrolluntersuchung am 02.06.2015:

„Wegen einer niedrig latenten Hypothyreose seit 2/15 Behandlung mit Thyronajod 75 (eine 1/2 Tabl.). Weiterhin Abgeschlagenheit und Kälteempfinden. Gewicht 65 kg.“

Das sonographische Bild ist unverändert.

In-vitro-Werte 02.06.15:

Freies Trijodthyronin(fT3)RIA:    3,2 pg/ml (normal)
Freies L-Thyroxin(fT4)RIA:     1,1 ng/dl (normal)
TSH-basal:        1,4 mU/l (konstant, normal) 

Der behandelnde Thyreodologe empfiehlt 1/2 Tabl. des Kombinationspräparats Thyronajod 75, da auch kleine knotige Veränderungen sonographisch zu sehen sind.

Kontrolluntersuchung am 01.09.2015

 „Wegen einer Unterfunktion Behandlung mit Thyronajod 75. Verlaufskontrolle. Zeitweise Kloßgefühl, Abgeschlagenheit und Tremor. Besserung des Stuhlgangs, Gewichtsreduktion auf 62 kg.“ 

In-vitro-Werte 01.09.15:

Freies Trijodthyronin(fT3)RIA:     2,9 pg/ml (normal)
Freies L-Thyroxin(fT4)RIA:      1,1 ng/dl (normal)
TSH-basal:        0,32 mU/l (normal)

Kontrolluntersuchung am 01.03.2016

„Grenzwertig große Schilddrüse mit regressiven Veränderungen nach abgelaufener Thyreoiditis. Ausgleich einer latenten Hypothyreose mit Thyronajod 75. Vermehrt innere Unruhe, Tachykardie und zeitweise Tremor unklarer Genese. Entwicklung einer Dysfunktion? Gewicht leicht angestiegen, 67 kg.“

In-vitro-Werte 01.03.16:

Freies Trijodthyronin(fT3)RIA:    3,1 pg/ml (normal)
Freies L-Thyroxin(fT4)RIA:     1,3 ng/dl (normal)
TSH-basal:       0,70 mU/l (normal)

Beurteilung:
„Im Vergleich zu den Voruntersuchung größenkonstante, grenzwertig große Schilddrüse mit regressiv kleinzystischen Veränderungen. Suspekte Knoten finden sich weiterhin nicht. Die Stoffwechsellage ist euthyreot. Prinzipiell ist die Behandlung angemessen. Aufgrund der geklagten Beschwerden könnte versuchsweise auf ein Kombinations-Präparat umgestellt werden, welches neben L-Thyroxin auch Trijodthyronin enthält.
Empfehlung: Anstelle von Thyronajod tägl. nur eine 1/2 Tabl. Prothyrid und in ca. 3-4 Monaten erneute Kontrolle der In-vitro-Werte und des Befindens, dann Entscheidung über die weitere Medikation.“

Untersuchung durch mich am 21.12.2016:

Klinik/Indikation: Grenzwertig große Schilddrüse mit  diffusen und kleinknotigen Strukturstörungen. Eine Therapie mit 1/2 Tabl. Novothyral habe zunächst eine Besserung gebracht, danach sei es aber eher schlechter gewesen. Jetzt nehme sie wieder Prothyrid ein, aber dafür eine ganze Tabl. Die Pat. wirkt klinisch euthyreot. Gewicht 69 kg mit Tendenz zur Gewichtszunahme. Sie gibt Schwitzen, Kälteintoleranz und Nervosität an. Die Pat. leidet insbesondere unter einer Tagesschläfrigkeit: Sobald die Situation monoton wird und Außenreize fehlen, schlafe sie ein. Zwischenzeitlich habe sie dann auch unbewusste Muskelzuckungen.

Sonographie: Keine wesentliche Änderung gegenüber einer Vorsonographie.

In-vitro-Diagnostik vom 21.12.16:
Freies Trijodthyronin(fT3)RIA:     4,4 pg/ml (normal)
Freies L-Thyroxin(fT4)RIA:      1,3 ng/dl (normal)
TSH-basal:        0,31 mU/l (untere Norm)
Anti-TPO:        0,001 IU/ml (nicht nachweisbar

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Szintigraphisch liegt eine Suppression vor. Eine Autonomie kann ausgeschlossen werden.

Stopp: Was hat die Patientin?

Trotz Therapie werden die Symptome, insbesondere die unerklärliche Tagesschläfrigkeit, nicht beeinflusst. – Als ich die Patientin zum ersten Mal sah und im Wartezimmer aufrief, war sie eingenickt. Ihr Gewicht steigt kontinuierlich an.

Die kleinknotigen Veränderungen sind zwar ein Grund zur Behandlung, sie lassen sich aber nicht mit den Symptomen in einen Zusammenhang bringen. Die Patientin ist klinisch und laborchemisch euthyreot.

Steckt die Diagnose – wie so häufig – in der Anamnese?

Meine Diagnose:

Bei Therapie mit einer Tabl. Prothyrid besteht klinisch und laborchemisch eine Euthyreose.

Die Pat. sollte bei der jetzt gewählten Therapie und bei den ermittelten Werten eigentlich frisch und munter sein. Dennoch besteht unverändert eine Tagesschläfrigkeit.

Die Schilderung der Pat. lässt an eine Narkolepsie denken. Es empfiehlt sich, die Pat. zu einem Schlaflabor zu schicken, damit eine Narkolepsie nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden kann.

Die Behandlung mit einer Tabl. Prothyrid kann beibehalten werden.

Nota bene:

Wenn sich eine Tagesschläfrigkeit nicht mit Schilddrüsenhormonen in geeigneter Zusammensetzung und Dosierung beeinflussen lässt, muss der Fall entweder anders gelöst oder abgegeben werden.

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