Frühschwangerschaft

Die Schildrüse ist ein kleines, ja ein winziges Organ. Es beeinflusst unser Leben aber entscheidend, und das bereits und  insbesondere vor der Geburt.

​Für die Entwicklung des Menschen sind Schilddrüsenhormone unerlässlich: In früheren Jahren gab es in den Alpen Bergtäler, in denen der Jodmangel extrem war: In diesen Bergtälern wurden kleinwüchsige, schwachsinnige Kinder geboren, die man ‚Kretins‘ nannte. Seitdem man drastische Massnahmen – bis hin zu Jodierung des Trinkwassers – einführte, gibt es diese Menschen nicht mehr.

​1999 veröffentlichte der englische Forscher Haddow eine Studie, in der er nachwies, dass schon eine latente Unterfunktion der mütterlichen Schilddrüse dazu führte, dass die Kinder später Intelligenzminderungen hatten, die z.B. dazu führten, dass diese Kinder mit etwas höherer Wahrscheinlichkeit als andere in der Schule sitzen blieben. (HADDOW et al. NEIM: 549. 1999)

Die Hirnzellen von Ratten-Embryos, die mit einem Schilddrüsenhormonmangel in der Schwangerschaft konfrontiert wurden, hatten deutlich weniger Synapsen. – Schilddrüsenhormone sind ein essentieller Faktor für die Entwicklung des fetalen Gehirns. Die neurokognitiven Fähigkeiten hängen von der Versorgung mit Schilddrüsenhormonen in der Schwangerschaft ab (Siehe: embryonale Hirnentwicklung).

Der Embryo entwickelt in der 12. SSW eine Schilddrüse. Diese ist aber unreif und kann erst im 6. Monat eine relevante Menge an Schilddrüsenhormonen synthetisieren. Bis zu diesem Zeitpunkt hängt der Embryo von den Schilddrüsenhormonen der Mutter ab, die er über Rezeptoren in der Plazenta aufnimmt. Die Mutter muss, um diesen zusätzlichen Bedarf zu befriedigen, ca. 25 – 40 µg L-Thyroxin zusätzlich zur Verfügung stellen.

Damit der Embryo an die dringend benötigten Schilddrüsenhormone kommt, greift er mit dem von ihm gebildeten Schwangerschaftshormon, dem Beta-HCG, in die Steuerung der mütterlichen Schilddrüse ein: Beta-HCG stimuliert den TSH-Rezeptor und veranlasst die mütterliche Schilddrüse mehr Hormone zu produzieren, als die Mutter benötigen würde. Infolge dieser Stimulation sinkt der TSH-Wert (,was physiologisch ist,) auf subnormale Werte. Es kann sogar dazu kommen, dass der TSH-Wert vollkommen suprimiert ist und L-Thyroxin ansteigt, sodass bei den Laborwerten der Eindruck entsteht, die werdende Mutter habe eine Überfunktion. Die Mutter hat aber keine Zeichen der Überfunktion. Bei sehr staker Stimulation hat sie aber verstärktes Schwangerschafts-Erbrechen. – Diese Veränderungen im Hormonhaushalt der Schilddrüsenhormone sind gesund und sollten nicht korrigiert werden! Im Gegenteil: Ein Anstieg von TSH im ersten Trimenon – höher als zum Zeitpunkt der Konzeption – ist mit einer erhöhten Abortrate assoziiert.

Bei schwangeren Frauen mit einer Hashimoto-Thyreoiditis ist es manchmal sinnvoll, dass die Schilddrüsenhormone im Abstand von 4-6 (8) Wochen bestimmt werden, damit über die Substiution von Schilddrüsenhormonen für den Embryo optimale Entwicklungsbedingungen geschaffen werden.