L-Thyroxin und Hirnentwicklung beim Embryo
Dass Schilddrüsenhormone notwendig sind, damit sich ein funktionsfähiges Hirn im Embryo entwickeln kann ist inzwischen meistens bekannt. Dass eine kongenitale Hypothyreose zu einer Entwicklungsverzögerung mit irreversiblen Schäden führt, ist ebenfalls bekannt. Was da im einzelnen passiert, ist meist nicht geläufig: Eine Hypothyreose der werdenden Mutter während der Schwangerschaft kann zu neurologischen Dysfunktionen führen und ist mit Autismus und verminderter intellektueller Fähigkeit des Kindes assoziiert (Stichwort: ‚Sitzenbleiber‘). Inzwischen weiß man etwas mehr: Der Schilddrüsen-Hormon-Rezeptor α1 (THα1) befindet sich in besonders hoher Konzentration in den Parvalbumin-Neuronen (PV-Neurone). Diese Neurone befinden sich bevorzugt im Hippocampus, im Thalamus und im Kleinhirn. Je besser die Funktion des Hippocampus ist, desto besser ist unser Kurzzeitgedächtnis. Man könnte ihn (nur zum besseren Verständnis wähle ich dieses Beispiel) mit dem RAM (random access memory) in einem PC vergleichen. Das Kleinhirn speichert regelmäßige Abläufe, die außerhalb des bewussten Denkens (im Hintergrund) ablaufen sollen, z.B. das Fahrradfahren. Im Thalamus findet eine Informationsverarbeitung statt: Er filtert und entscheidet, welche Informationen für den Organismus wichtig sind und leitet sie, falls dies so ist, an die Großhirnrinde weiter. Diese Information wird dann ‚bewusst‘. Der Thalamus wird deshalb oft als „Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet. – In den vorgenannten Hirnstrukturen liegen die PV-Neurone als Interneurone vor. Offenbar haben sie eine steuernde ‚Makler‘-Funktion auf die Hirnzellen, deren spezifische Aktivität durch sie gesteuert wird. – Fällt diese Steuerung aus, gibt es weniger Synapsen. Erkrankungen wie Schizophrenie und Morbus Alzheimer werden mit einer eingeschränkten Aktivität dieser Hirnzellen in Zusammenhang gebracht. (Mäuse mit einer Störung im THα1-Gen hatten nicht nur vermehrt Angst, motorische Defizite und Gedächtnisstörungen, sondern auch eine gestörte Regulation im kardiovaskulären System (Stichwort: Blutdruck und Herzfrequenz).
Parvalbumin-Neurone vernetzen die Hirnzellen nach der Geburt.
Endgültig entwickeln sich die PV-Neurone zwar erst postnatal, der wesentliche Beginn ihrer Entstehung liegt jedoch pränatal. Die Notwendigkeit, das Hirn in ausreichender Weise mit Schilddrüsenhormonen zu versorgen fällt somit in die Embryonalzeit.
Lit. (L. Harder et al Maternal Thyroid hormone is required for paralbumin neurone development in the anterior hypothalamic area; J Neuroendocrinol. (2018); 30(3): e12573)